Nitridische Dünnschichten
Hartstoffschichten auf Basis von Nitriden bestehen aus einer chemischen Verbindung zwischen einem Metall und Stickstoff. Diese Dünnschichten werden üblicherweise durch reaktive PVD-Verfahren erzeugt, indem Stickstoff als Reaktivgas in die Beschichtungskammer eingeleitet wird. In der Regel werden für die Bildung metallischer Nitride Übergangsmetalle (engl. transition metals, TM) als Targetmaterial verwendet. Übergangsmetallnitride bieten eine vielversprechende Kombination von Eigenschaften, darunter thermische Stabilität, Oxidations- und Korrosionsbeständigkeit, hohe Härte sowie hoher Verschleißwiderstand. Daher werden sie in verschiedenen Anwendungen als Dünnschichten eingesetzt, beispielsweise in der Werkzeugbeschichtung von Zerspanungs- und Umformwerkzeugen sowie in der Bauteilbeschichtung in der Luft- und Raumfahrttechnik sowie der Automobilindustrie.
Binäre Nitride
Dünnschichten aus binären Nitriden sind bereits umfassend erforscht und in der Industrie weit verbreitet. Viele stöchiometrische Übergangsmetallnitride, wie Titannitrid (TiN), Chromnitrid (CrN), Vanadiumnitrid (VN) oder Hafniumnitrid (HfN), kristallisieren in einer kubisch flächenzentrierten (kfz) NaCl-Gitterstruktur. Andere Übergangsmetallnitride, wie Tantalnitrid (TaN) oder Molybdännitrid (MoN), können je nach Abscheidebedingungen sowohl in einer kfz- als auch in einer hexagonal dichtest gepackten (hdp) Wurtzit-Struktur vorliegen. Insbesondere TiN- und CrN-Dünnschichten zählen zu den etablierten industriellen Schichtsystemen und werden aufgrund ihrer hohen Härte und Verschleißbeständigkeit seit vielen Jahren in der Werkzeugbeschichtung eingesetzt. MoN-Dünnschichten zeichnen sich dagegen durch eine niedrige Reibung aus und finden daher vorrangig im Automobilsektor zur Bauteilbeschichtung Anwendung.
Aluminiumhaltige ternäre Nitride
PVD-Verfahren ermöglichen die Synthese metastabiler Schichtsysteme durch extrem schnelle Abkühlungsraten, wodurch das thermodynamische Gleichgewicht nicht erreicht wird. Aluminiumhaltige ternäre TM1-xAlxN-Übergangsmetallnitride mit einer kfz-Gitterstruktur sind Beispiele für solche metastabilen Schichtsysteme, bei denen die TM-Atome im Kristallgitter durch Aluminiumatome substituiert werden. Dieses Substitutionsmischkristall bleibt jedoch nur bis zu einem bestimmten kritischen Aluminiumgehalt xmax in der kfz-Gitterstruktur metastabil. Abhängig vom spezifischen Übergangsmetallnitrid und den Abscheidebedingungen können kfz-TM1-xAlxN -Dünnschichten mit Aluminiumanteilen von bis zu xmax < 0,9 synthetisiert werden. Ein leichtes Überschreiten dieser kritischen Löslichkeit bei höheren Aluminiumkonzentrationen führt zur Bildung eines Übergangsbereichs, in dem ein Zweiphasengemisch aus kfz-TMN und hdp-AlN vorliegt. Eine weitere Erhöhung des Aluminiumgehalts bewirkt schließlich die vollständige Kristallisation von TM1-xAlxN in die hdp-Gitterstruktur.
Die Schichteigenschaften werden entscheidend vom Aluminiumanteil und der damit verbundenen Kristallstruktur beeinflusst. Die Härte der kfz-TM1-xAlxN-Dünnschichten nimmt mit steigendem Aluminiumgehalt bis zu einem kritischen Wert xmax zu. Wird dieser Wert überschritten, führt die Phasenumwandlung von der kfz-Phase in die hdp-Phase zu einem Härteverlust. Titanaluminiumnitrid (TiAlN) und Chromaluminiumnitrid (CrAlN) mit Aluminiumanteilen von x < 0,5 sowie Aluminiumtitannitrid (AlTiN) und Aluminiumchromnitrid (AlCrN) mit x > 0,5 sind etablierte Vertreter der kfz-TM1-xAlxN-Schichtsysteme. Diese Dünnschichten zeichnen sich im Vergleich zu binären Nitriden durch höhere Härte, gesteigerte Oxidationsbeständigkeit und verbessertes Verschleißverhalten aus und werden daher vorrangig als Verschleißschutzschichten in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt.
Quaternäre Nitride
In den letzten Jahren hat die Entwicklung quaternärer Übergangsmetallnitride erheblich an Bedeutung gewonnen. Durch die Zugabe eines Modifikationselements zu TM1-xAlxN können die Schichteigenschaften weiter verbessert werden.
Nichtmetalle wie Kohlenstoff, Silizium oder Bor ersetzen Stickstoffatome in der Gitterstruktur und können bei ausreichendem Anteil auch amorphe Phasen bilden. Dadurch entsteht eine Nanokompositstruktur mit kleineren Kristallitgrößen. Diese Schichtsysteme zeichnen sich in der Regel durch eine erhöhte Härte und verbesserte Oxidationsbeständigkeit aus, was zu einer verbesserten Verschleißfestigkeit bei höheren Temperaturen führt.
Auch Elemente aus der Gruppe der Übergangsmetalle werden zur Modifikation von TM1-xAlxN -Dünnschichten verwendet. Diese Modifikationselemente ersetzen die TM- und Al-Atome im Kristallgitter und gehen aufgrund ihrer spezifischen Elektronenkonfiguration verschiedene Bindungstypen ein, sodass jedes Element die Schichteigenschaften in unterschiedlicher Weise beeinflusst. Elemente wie Hafnium oder Tantal führen aufgrund ihres größeren Atomradius zu Gitterverzerrungen, die zu einer Erhöhung der Druckeigenspannungen und der Härte der Schichtsysteme führen. Außerdem wird die Diffusion von Sauerstoffatomen bei höheren Temperaturen erschwert, was die Oxidationsbeständigkeit gegenüber TM1-xAlxN verbessert. Die Zugabe von Vanadium ermöglicht zudem die Bildung sogenannter Magnéli-Phasen der V-basierten Oxide (VnO2n-1 und VnO3n- 1) bei hohen Temperaturen, die aufgrund ihrer kristallographischen Struktur reibungsmindernd wirken.
Verfasst von Nelson Filipe Lopes Dias, 16.09.2024